Aus „El País“ vom 14. Juli 2019
Da sitze ich mal wieder, bei einem Latte Macchiato, die Sonntagsausgabe vom El País vor mir ausgebreitet. Passend dazu berichtet die Businessbeilage über Kaffee – den weltweiten Markt, die fallenden Rohstoffpreise und die existenzbedrohenden Auswirkungen, die das vor allem auf die Kleinbetriebe Lateinamerika hat. Und das, obwohl die Preise in den trendigen Cafés der Metropolen dieser Welt nicht gerade günstig sind und eher steigen als fallen.
Wie kann das sein?
Coffee To Go ist „in“ – aber nicht der Rohstoff
An der Börse gibt es zwei entgegengesetzte Trends:
Zum einen fällt der internationale Preis für Rohkaffee seit einigen Jahren. Denn das Angebot des Rohstoffs Kaffee ist aufgrund der steigenden Produktionsmengen größer als dessen Nachfrage. Was zur Folge hat, dass die Preise niedriger als noch vor 13 Jahren sind.
Wir Verbraucher merken davon nicht viel. Obwohl das Angebot an Rohkaffee hoch und der Rohstoffpreis niedrig ist, führt diese Entwicklung nicht zu sinkenden Preisen beim Kaffee im Regal, im Café oder beim Coffee To Go. Kaffee ist in all seinen Variationen ein cooles Produkt geworden und wird zu immer höheren Preisen verkauft.
Entsprechend entwickelt sich der Aktienkurs der großen Caféhaus-Ketten. Ein Gewinner des Booms ist zum Beispiel Starbucks: Der Aktienkurs des Unternehmens aus Seattle, das weltweit Cafés betreibt, hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Diese Entwicklung ist recht unabhängig vom Kaffeepreis an sich, denn der Rohkaffee macht bei den Ketten nach Berechnungen einer britischen Marktstudie nur 4% des gesamten Wareneinsatzes aus.
Der Kaffeemarkt im Ungleichgewicht – Großgrundbesitz und Kleinbauern in Lateinamerika
Der Markt befindet sich im Umbruch – Vietnam ist in den letzten Jahren zum zweitgrößten Produzenten weltweit aufgestiegen. Und Brasilien als Marktführer fährt jedes Jahr immer höhere Rekordernten ein. Das größte Land Lateinamerikas ist durch seine jahrhundertealte Kaffeegeschichte geprägt und weist sehr alte Strukturen auf, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen. Im Gegensatz zu den kleinen Familienbetrieben in Kolumbien oder Honduras sind die brasilianischen Kaffeeproduzenten Großgrundbesitzer. Sie sind sehr gut organisiert und investieren ständig in neue Technologien. Das Instituto Agronómico de Campinas zum Beispiel forscht seit 132 Jahren eigens für die Verbesserung der Kaffeequalität und einen immer effizienteren Kaffeeanbau.
Verlierer sind die Kleinbauern in Lateinamerika
Verlierer des Preisverfalls sind die Rohstoffproduzenten, deren Einkommen direkt von der jeweils aktuellen Notierung des Kaffees an der Börse in New York abhängt. Und hier vor allem die Kleinbauern, die sich gegen die Preispolitik der Zwischenhändler und Exporteure nicht wehren können. Auch in guten Zeiten bleibt die Marge dort hängen.
Diese ungleiche Verteilung bedroht die Lebensgrundlage vieler der kleinen Familienbetriebe in Lateinamerika. Länder in Zentralamerika wie Honduras oder El Salvador sind besonders betroffen, weil dort zusätzlich zum Preisverfall des Rohstoffs die Ernte durch Plagen bedroht ist. Aufgeben ist auch keine Alternative, denn meist haben die Bauern nichts anderes gelernt.
Kolumbien: Kaffee statt Drogen?
In Kolumbien kehren die Bauern seit dem Friedensvertrag mit der FARC auf ihre Felder zurück und setzen auf den Anbau legaler Produkte. Viele sind seit Generationen Kaffeebauern. Dennoch lohnt sich der Anbau von Kaffee auch hier für die meisten Bauern nicht, da fast alle Betriebe kleine Familienbetriebe sind. Vermehrt wird statt Kaffee nun auf andere Früchte wie Avocados oder Ananas gesetzt. Oder die Betriebe werden dem Tourismus gewidmet – wenn vor allem die jüngere Generation nicht erneut dem Reiz des hohen Verdienstes durch den Anbau von Drogen erliegt.
Aus der Krise mit neuen Initiativen
Mit der Krise entstehen auch neue, kreative Ideen. Um dem Preiskampf zu entgehen, könnte zum Beispiel eine Nischenstrategie die Lösung sein. Hochpreisiger Kaffee aus nachhaltigem Anbau, mit direkten Vertriebsstrukturen unter Umgehung der Zwischenhändler. Das hat man in Costa Rica erfolgreich umgesetzt – allerdings nur für den Kaffee aus den höheren Lagen. In den unteren Gebieten ist der Anbau nach wie vor kostenintensiver und die Bauern kämpfen mit denselben Problemen wie überall in Mittelamerika.
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Meinen Kaffee habe ich jetzt ausgetrunken – mit zunehmend mulmigem Gefühl. Und ich nehme mir vor, in Zukunft mehr auf die Verwendung von Kaffee aus fairem Handel zu achten. In der Hoffnung, dass dann mehr von der Marge bei den Produzenten ankommt.
Hier geht es zu den Originalartikeln des El País (erschienen am 14. Juli 2019) zum Nachlesen auf Spanisch: